Wiesen

Kleines 1×1 der Wiesentypen

Fettwiese, Glatthaferwiese, Blühwiese?!

Eine Glockenblume macht noch keine Wiese. Glockenblumen fühlen sich in vielen Wiesentypen wohl. Nur mager sollten sie sein. Bild: Volker Unterladstetter

Wiesen! Allein der Klang des Wortes ist reine Poesie. Bilder von Gräsern und bunten Blumen, die sich sanft im Winde wiegen. Das Konzert von Grashüpfern und Grillen. Farbenfrohe Gaukler der Lüfte, die von Blüte zu Blüte flattern. Doch ist Wiese nicht gleich Wiese. Wer sich ein wenig genauer mit dem Thema beschäftigt, wird schnell feststellen: das Feld ist weit. Viele verschiedene Begriffe schwirren durchs Internet: Fettwiesen, Glatthaferwiesen, Schmetterlingswiesen, Blühwiesen. Der kreativen Namensgebung scheinen keine Grenzen gesetzt. Zeit also, an dieser Stelle ein wenig Licht ins Dunkel der babylonischen Namensverwirrung zu bringen.

Wiesen lassen sich auf verschiedene Weise beschreiben. Wir können grob zwischen Standortfaktoren, Bewirtschaftungsfaktoren und Klassifizierungen aufgrund der vorkommenden Pflanzenarten unterscheiden. Am naheliegendsten ist wohl, sich zunächst einmal anzuschauen, welche Pflanzenarten auf einer Wiese wachsen. Wenn ich eine Glockenblume finde, habe ich dann eine „Glockenblumenwiese“ vor mir? Nein, ganz so einfach ist es dann doch nicht. Die meisten Wiesenkräuter finden sich auf ganz unterschiedlichen Wiesentypen. Ob also Margeriten oder Rot-Klee auf einer bestimmten Wiese wachsen, sagt uns zunächst einmal wenig über den Wiesentyp aus. Ihre Verteilung spiegelt weniger einen bestimmten Standort wieder, als vielmehr eine individuelle Abstammungsgeschichte der jeweiligen Pflanze vor Ort.

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Von fetten Wiesen…

Kunterbunte Fettwiese im Frühsommer. Es posieren Zaun-Wicke, Scharfer Hahnenfuß, Spitz-Wegerich und Wiesen-Bocksbart. Bild: Volker Unterladstetter

Wie eine Wiese floristisch beschaffen ist, wird maßgeblich durch den Bodentyp, das Klima und die mittlere Höhe des Grundwassers beeinflusst. Auf Standorten mit tiefgründigen Braunerdeböden (z.B. den Lößböden der linksrheinischen Mittelterrasse) ist die Nährstoffversorgung in der Regel gut ausgeprägt, hier wachsen die sog. nährstoffanspruchsvollen Pflanzengesellschaften der Fettwiesen. „Fett“ meint in diesen Zusammenhang einen guten Boden und ist kein negativer Begriff. Aus den eigentlichen Fettwiesen der vormodernen Zeit wurden in den letzten Jahrzehnten allerdings meist Fettwiesen ganz anderer Art: Dort, wo mit Kunstdünger und Gülle intensive Landwirtschaft betrieben wurde, konnten sich oft nur wenige Kräuter und Gräser halten. Diese „fetten Fettwiesen“ der modernen Agrarindustrie haben mit den alten Fettwiesen kaum noch etwas gemein. Hier darf also ruhig die Nase gerümpft werden.

…und weniger fetten

An Standorten mit anderen Bodenbedingungen, z.B. auf Sandböden oder Rohböden verschiedener Art, entwickelten sich Grünlandgesellschaften, die einst lernen mussten, mit wenigen Nährstoffen auszukommen. In diesem Fall haben sich sogenannte Magerwiesen (oder Magerrasen) gebildet. Sie gehören zu den artenreichsten Wiesentypen und sind heute in besonderem Maße durch Aufdüngung bzw. atmosphärische Stickstoffeinträge bedroht. Tatsächlich hat die „Grüne Revolution“ in der Landwirtschaft zu einer Verschiebung der Begriffe „fett“ und „mager“ geführt. Heute sind selbst magere Lebensräume durch die veränderten Stoffkreisläufe deulich „fetter“ als früher, so dass die Fettwiesen von einst heute eher als Magerwiese durchgehen müssten. Die „mageren Magerwiesen“ der vormodernen Zeit kann sich heute eigentlich niemand mehr so richtig vorstellen.

Aalglatter Wiesenkönig

Trockene Glatthaferwiese im Kölner Bürgerpark. Die langen grazilen Rispen des Glatthafers thronen über den Dingen und wiegen sich bedächtig im Wind. Bild: Volker Unterladstetter

Doch was hat es nun mit der ominösen Glatthaferwiese auf sich? Wir haben bereits gesehen, dass die meisten Pflanzenarten im Grünland in unterschiedlichen Wiesentypen vorkommen. Aber eben nicht alle. Der Glatthafer, ursprünglich wohl ein Franzose mit Migrationshintergrund im 18. Jahrhundert, ist ein wählerischer Geselle. Mit seinen schlanken, hoch aufwachsenden Rispen thront er im Sommer wie ein König über all den anderen Gräsern. Dem Gräserkönig gefällt es allerdings nur auf gut mit Nährstoffen versorgten trockenen bis frischen Böden im Flachland (also den klassischen Fettwiesen). In den Bergen ist es ihm zu kalt, und wenn er regelmäßig von Tieren abgefressen wird, streicht er ebenfalls die Segel. Nach ihm sind daher die typischen Fettwiesen des Flachlands auf nicht allzu feuchten Böden benannt, denn nur dort herrscht er über einen bunten Hofstaat aus Kräutern und Gräsern.

Von den Begriffen Fettwiese, Glatthaferwiese und Co., die allesamt in der Ökologie bzw. in der Vegetationskunde gebräuchlich sind, unterscheiden sich umgangssprachliche Begriffe wie Blumenwiese, Blühwiese oder Schmetterlingswiese. Sie sind nicht trennscharf und werden in der allgemeinen Debatte um die schwindende Artenvielfalt eher dazu benutzt, die ökologische Qualität von Wiesen zu beschreiben. Eine „Blühwiese“ soll halt im Sommer ordentlich blühen, und nicht nur aus Gräsern bestehen. Dieser Wunsch ist gerade im Bereich Garten und Öffentliches Grün völlig in Ordnung. Botaniker und Ökologen werden über diese Begriffe allerdings eher schmunzeln und sich in ihren Fachkreisen weiterhin nach den Glatthafer-, Fett- und Magerwiesen der alten Zeit sehnen.

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